Wiedersehen mit Singapur

 

„Ja, das ist Singapur! Alles so sauber und gepflegt, die Stadt so grün, wie ein riesiger Park – nichts von Abfall an den Strassenrändern wie in Thailand“, sagte ich zu Sai, als wir im Taxi vom Flughafen ins Zentrum der Stadt fuhren. Je näher wir zum Hotel in der Orchard Road kamen, desto mehr erkannte ich diese Strasse oder jenes Gebäude wieder, doch vieles hat sich seit unserem letzten Aufenthalt vor fünf Jahren extrem verändert.

 

Wir hatten Glück mit dem im Internet gebuchten Hotel. Das Holiday Inn befand sich an zentraler Lage an einer ruhigen Nebenstrasse zur Orchard Road – der berühmten Einkaufsstrasse – das Hotelzimmer war angenehm gross und geschmackvoll und bequem eingerichtet. In der Umgebung gab es viele Restaurants und Cafés, sodass wir uns nicht im Hotel verpflegen mussten. 

 

 

 

 

Anstelle des Strässchens durch einen Park, das früher zur Untergrundstation Sommerset führte, befand sich jetzt ein neues Shopping Center, das zugleich auch Eingang zu dieser Station ist. Dort wurden wir plötzlich Teil einer gigantischen Menschenmasse, die sich durch die Korridore, Rolltreppen und Hallen drängten. Wir waren vor allem inmitten von Jugendlichen unter 30 Jahren. Alle schienen in grosser Eile zu sein, eine Hektik ergriff alle, die sich im Strom dieser Menschenmenge treiben liessen. Die Bevölkerung von Singapur muss sich in den letzten zehn Jahren wohl sehr stark vermehrt haben. Die Untergrundbahn faszinierte mich auch diesmal wieder: Die Bahn ist sicher etwa zweihundert Meter lang, ist durchgehend begehbar, irgendwelche Unterteilungen gibt es keine. Ich konnte über die Köpfe der Leute hinweg in die endlos scheinenden Wagons hindurchsehen und die Bewegungen des fahrenden Zugs mitverfolgen. Fast jeder zweite Passagier war während der Fahrt damit beschäftigt mit seinem Natel zu telefonieren oder ein SMS zu schreiben. Am Raffles Place stiegen wir aus und suchten den Ausgang zum Boat Quay. Dort am Singapore River, wo sich ein Restaurant an das andere reiht, gab es speziell in den Bars ein Gedränge vieler junger Geschäftsleute, die stehend der Happy Hour zusprachen. Als wir weiter an den vielen Restaurants vorbeigingen, lockte uns das Servicepersonal hier im chinesischen, da im indischen, dort im thailändischen oder im Seafood-Restaurant an einem ihrer Tisch Platz zu nehmen. Wir liessen uns dann an einem Zweiertisch direkt am Fluss von  einem Inder mit würzigen Curries verwöhnen und genossen die einmalige Stimmung  an diesem Boat Quay. Dieser ist noch immer so wie früher, doch sind als mächtige Kulisse noch viele neue Türme von Hochhäusern dazugekommen. Die Kuppel der alten City Hall aus der britischen Kolonialzeit ist jetzt nur noch knapp zu sehen. Einige alte Brücken zeugen noch von dieser Epoche, sie sind nachts speziell beleuchtet. Einige Gebäude, wie das Fullerton Hotel, das neue Asian Civilisation Museum oder die Konzerthalle Esplanade sind neue gediegene Markenzeichen Singapurs, andere eher weniger. Auf einer nächtlichen River Cruise konnten wir in beschaulichem Tempo all die alten und neuen Sehenswürdigkeiten bestaunen. Der Clarke Quay oder die Riverside Point-Anlage haben sich zu einem beliebten und attraktiven Ausgehquartier entwickelt. 

 

 

Die Marina Bay ist kaum wiederzuerkennen, mit all den vielen neuen Gebäuden. Marina Bay Sands, der gigantische Bau mit seinen drei Hoteltürmen mit 57 Stockwerken und einem über die Türme liegendem schiffsähnlichem Bau, mit Swimmingpool und Palmen, mit Restaurants und Bars, ist wohl originell und imposant, ästhetisch aber nicht unbedingt sehr überzeugend, eher ein Architektenfurz. 

 

Am nächsten Tag kaufte sich Sai in einem nahen Shopping Center zuerst bequeme, doch elegante Schuhe, um so ausgerüstet die uns noch unbekannten Sehenswürdigkeiten der Stadt Singapur zu entdecken. Wir spazierten durch gepflegte Quartiere mit attraktiven, sehr teuren Stadtwohnungen bis zum „Fort Canning Park“, früher auch Singapore Hill genannt. Es ist ein herrlicher Park mit üppiger, tropischer Vegetation. Während des 2. Weltkrieges befand sich hier das britische Militär-Oberkommando, welches in der „Battle Box“,  in unterirdischen Bunkern dieser grossen Verteidigungsanlage untergebracht war. Hier entschieden sich 1942 die britischen Generäle von Singapur denn auch zur bedingungslosen Kapitulation, als es im Kampf gegen die wuchtig angreifenden Japanern definitiv keine Chance auf einen Sieg mehr gab. Die Situation war damals total ausweglos sowohl für das Militär wie auch für die Zivilbevölkerung, denn ihnen waren alle Vorräte an Munition, Esswaren und Wasser ausgegangen. Offiziere und Soldaten kamen in japanische Gefangenschaft, und sehr viele der vor allem chinesischen Zivilbevölkerung wurden von der Geheimpolizei brutal gefoltert und massakriert. Ort des Schreckens waren genau diese unterirdischen Bunker. Nach Kriegsende, nach dem Abzug der japanischen Truppen wurden diese Bunker zugesperrt und für Jahrzehnte vergessen. Wir konnten diese unterirdischen Räume besichtigen, die mit gut gemachten Wachsfiguren die Militärs in unterschiedlichen Aktionen zeigten. Die geführte Besichtigung machte uns doch sehr nachdenklich und betroffen. Wir erholten uns dann wieder bei einem späten Mittagessen in einem Strassenrestaurant an der Orchard Road und anschliessend in unserem bequemen Hotelzimmer.

 

Es war Sais Wunsch, ihren 62. Geburtstag mit einem guten Essen im „KU DE TA-Restaurant“ im Sky Park des Marina Bay Sands zu feiern, das wie ein gigantisches Schiff auf den drei Hotel-Hochhaustürmen liegt. Zuerst schauten wir uns dort oben etwas um. Für Hotelgäste war die Anlage mit Swimming Pool, Sitzecken unter Palmen und eine sympathische Bar reserviert. Imposant, doch eben auch nur ein Gag. – Wir konnten wählen, einen Drink in einer Stehbar zu konsumieren oder etwas im Restaurant zu essen. Ohne Reservation erhielten wir an diesem Samstagabend den letzten freien Tisch mit Weitblick über Tische und Bar zu den benachbarten Wolkenkratzern. Die Serviceangestellte, die uns bediente, war sehr freundlich und aufmerksam, der sehr teure Wein und das Essen gut aber nicht aussergewöhnlich. Mit gemischten Eindrücken, doch glücklich und zufrieden, fuhren wir in einem Taxi zum Hotel zurück. Erst dort kam mir wieder in den Sinn, dass ich eigentlich noch zu den „Chijmes“, den Restaurants in der wiederaufgebauten, ehemaligen Klosteranlage gegenüber dem Raffels-Hotel gehen wollte. Nun ja, vielleicht das nächste Mal.

Wie der Hinflug, so war auch die Rückreise mit Thai International Airlines ein sehr gutes Erlebnis. Mit unseren billigen Staff  Standby Tickets konnten wir wieder gleich beim Einchecken unsere Bordkarten entgegennehmen, wieder hatten wir zwei Plätze nebeneinander. Der Service in der gut besetzten Economy Klasse war sehr ruhig, die Flight Attendants aufmerksam und professionell. Die Airhostessen zogen sich für den Mahlzeitenservice auch auf diesem Flug um und trugen die eleganten Thai Kostüme. Von Hektik keine Spur. Warum nur habe ich in Erinnerung, dass wir auf unseren Swissair-Flügen auf dieser Strecke immer in Zeitnot waren und wie gestört umherjagten?