Späte Liebe zur Juristerei

Hartnäckigkeit, Fleiss und Wissbegierde braucht ein 65jähriger, wenn er noch Rechtswissenschaft studieren und zehn Jahre später doktorieren will. Dr. Dietrich Otto schaffte das!

 

 

 

 

Welch ein Schicksal, Ende 1941 in Arnstadt/Thüringen, in Kriegsdeutschland, geboren zu werden! Um nach Kriegsende der drohenden Verhaftung des Vaters durch die Kommunisten zu entgehen, flüchtete die Familie 1948 nach Bayern. Trotz prekärsten Lebensverhältnissen ermöglichten die Eltern Dietrich den Schulabschluss mit Abitur. Die Schülerliebe mit Eva-Maria führte 1966 zur Hochzeit und zur bis heute dauernden Ehe.

 

Pilot beim Militär und Swissair

 

Dietrich Otto bestand die harte Selektion, um Pilot bei der deutschen Luftwaffe zu werden. Acht Jahre später beendete er seine militärische Karriere im Rang eines Hauptmanns, um zusammen mit seiner Frau und den zwei Söhnen in der Schweiz ein neues Leben zu beginnen. Nach der SLS durchlief er die klassische Swissair-Laufbahn als Co-Pilot auf DC-9 und B747. Das damalige starke hierarchische Gefälle im Cockpit flachte glücklicherweise ab, so konnte er ab 1983 als Flugkapitän auf MD81 und A310 einen teamorientierten Führungsstil pflegen. Von all seinen Flügen weiss er sehr viele spannende Geschichten zu erzählen. Bis zu seinem Last Flight 1996 blieb er glücklicherweise von schwerwiegenden Problemen verschont. Nach seiner Pensionierung hat er nie mehr ein Flugzeug pilotiert.   

 

Zusatzaufgaben am Boden

 

Noch als B747 Co-Pilot konnte er in der Abteilung „Operating Policies“ mitarbeiten. Zur Unterstützung dieser Aufgabe immatrikulierten er und seine Frau sich an der Uni Zürich. Nach fünf Semestern Rechtswissenschaft und mit selbstloser Hilfe seiner Frau bestand er die Zwischenprüfung. Die Managementtätigkeit am Boden führte er auch als Kapitän weiter und war ab 1991 “Head Operating Policies“. Nach der Pensionierung waren sein Wissen und seine Kompetenz auf diesem Gebiet weiterhin gefragt. In Holland arbeitete er sechs Jahre lang an der Schaffung gemeinsamer Standards für die europäische Zivilluftfahrt bei den Joint Aviation Authorities mit, anschliessend folgten noch fünf Jahre im BAZL, im Rahmen von Kontrolle und Zulassung von Flugunternehmen.

 

Der alte Student

 

Treu seinem Grundsatz, Angefangenes auch zu Ende zu führen, nahm der inzwischen 65-Jährige sein JUS-Studium wieder auf und schloss es nach sechs Jahren mit dem Lizenziat ab. Der Umgang mit seinen jungen Kommilitonen war geprägt von Respekt und gegenseitiger Offenheit, was fruchtbare Diskussionen und gemeinsames Lernen ermöglichte. „Leben langes Lernen“ war für den Berufspiloten stets Realität, doch jetzt zeigte sich, dass er in seinem Alter mehr Zeit für die Informationsbeschaffung und -verarbeitung brauchte, speziell auch bei den Prüfungen. – Mit seiner ganz eigenen Hartnäckigkeit wollte der nun 71-Jährige noch einen Doktorhut haben. Für seine 754seitige Dissertation „Die Entwicklung der Regulierung der Luftfahrt in Hinsicht der Globalisierung“ brauchte er nochmals vier Jahre. Die extreme Herausforderung bestand darin, die enorme Informationsflut zu sichten, einzugrenzen, das Kernthema nicht aus den Augen zu verlieren und dann die Schlussfolgerungen zu formulieren. Seine Arbeit wurde akzeptiert, mit Magna cum Laude (sehr gut) bewertet und mit dem Doktortitel belohnt. „Dass meine Dissertation als Buch im Schulthess-Verlag publiziert wurde, war für mich das schönste Geschenk!“ strahlt der frisch Promovierte. Kein Wunder, dass er 2017 als Stiftungsrat für die Versicherungseinrichtung des Flugpersonals der Swissair gewählt wurde.

 

Das Wichtigste im Leben

 

Trotz Bilderbuchkarriere ist auch Dietrich Otto nicht von Enttäuschungen, Rückschlägen und Verlusten verschont geblieben. „Der frühe Tod meiner Mutter, die Sorgen mit einem Sohn  und der schwere Unfall meiner Frau waren Grenzerfahrungen, die zeigten, wie fragil das Leben ist. Die stets kürzer werdende Lebensspanne sollten wir sorgsam für uns und die Mitmenschen nutzen, ganz speziell die Momente des Glücklich- und Zufriedenseins erkennen und geniessen!“ meint Dietrich Otto philosophisch.

 

 

Feb. 2018