Vom Fracht-Profi zum Profi-Musiker

Markus Dürrenbergers dramatische Begleitmusik macht den Stummfilm „Die Weber“ zu einem berührenden Erlebnis. Eine Höchstleistung in einer kulturellen Nische.


„Zum Glück hatten wir zuhause keinen Fernseher, so begann ich bereits mit sieben Jahren Klavier zu spielen“, erzählt  Markus Dürrenberger, der im Baselbieter Dorf Lupsingen aufgewachsen ist. Klassische Musikstunden bildeten den Anfang einer ungewöhnlichen Musikerkarriere, die zu Dixieland, Jazz, Pop, Rock und schliesslich auch in den Kleinkunstbereich führte. Mit elf Jahren hatte er seine erste Band. Einige seiner Hits fanden auch Eingang in die Charts von Radiostationen. Intensiven Musikunterricht erhielt er vom bekannten Jazzpianisten Hans Feigenwinter. Vorerst lebte der Musikbegeisterte seine Leidenschaft nur in seiner Freizeit aus, neben Ausbildung und Arbeit bei der Swissair.


Per Flugzeug zur Schule


Nach der Verkehrsschule erlebte der junge Baselbieter während der Swissair-Luftverkehrslehre 1992 seine glücklichste und unbeschwerteste Zeit. Alles war so einmalig: die Stimmung und Kameradschaft untereinander und die Motivation, Neues zu lernen und zu erfahren. Der theoretische Unterricht fand in Zürich statt, die praktische Ausbildung am Euro Airport Basel. Markus Dürrenberger denkt gerne daran zurück, wie er als Lehrling den Schulweg hochoffiziell per Flugzeug zurücklegen durfte. Später arbeitete er in der Fracht, war beteiligt am Aufbau eines Call Centers und bis zum Swissair Grounding im Quality Management tätig. Die Erfahrung im Frachtbereich mit einfachen Menschen, die tagtäglich harte Arbeit leisteten, aber schlecht bezahlt waren, machte ihn damals schon recht nachdenklich. Mit seiner Sensibilität für soziale Verhältnisse erkannte er, wie extreme soziale Unterschiede zu Unfrieden führen können. Nach dem Untergang der Swissair arbeitete er noch ein Jahr für die Swiss.


Entscheid für Familie und Musik


Als er die junge Lehrerin Cornelia kennenlernte, heiratete und sich bald über Zwillinge, zwei Buben, freuen konnte, nahm sein Leben eine neue Wendung. Das Paar, das heute im Appenzell wohnt, einigte sich für eine echte Rollenteilung: abwechselnd zur einen Hälfte berufstätig und zur andern Hälfte für die Familie verantwortlich zu sein.


Mutig entschied sich  Dürrenberger zudem, sich vollberuflich der Musik zu widmen, auch wenn dies mit finanziellen Opfern verbunden war. Mit seiner Begleitmusik zu hochkarätigen Stummfilmen hat der 40-Jährige seine ganz eigene Nische gefunden. In diesen Monaten ist er mit dem Stummfilm „Die Weber“ von Gerhart Hauptmann aus dem Jahr 1927 auf Tournee. Der aufwühlende Schwarz-weiss-Film befasst sich mit dem traurigen Schicksal der schlesischen Heimweber, die wegen der Industrialisierung um 1844 in prekäre Armut versanken und in ihrer Hoffnungslosigkeit und Wut einen gewaltsamen Aufstand gegen die reichen Fabrikanten wagten. Mit ihrer Revolte zerstörten sie die Besitztümer ihrer Peiniger, zugleich aber auch ihre eigene Lebensgrundlage. Die Parallelen zur heutigen Welt sind frappant! Die wachsenden  Unterschiede zwischen Arm und Reich in unserer globalisierten Zeit sind eklatant und gefährlich. So könnte es auch mal zu einer Explosion kommen. „Was können wir dafür, dass die so arm sind“, sagt im Film die Frau des Fabrikanten, „Es ist doch kein Verbrechen reich zu sein!“  Die Bilder sind ausserordentlich  kräftig und einprägsam, doch erst die Begleitmusik von Markus Dürrenberger macht den Film zu einem Erlebnis von höchster emotionaler Intensität. Es ist ein immenser  Unterschied, ob diese Begleitmusik jedes Mal  neu entsteht oder eben nur ab Band eingespielt wird.


Kunst als harte Arbeit


Walter Fuchs, der Tontechniker, der mit dem Klangkünstler zusammenarbeitet, charakterisiert Markus Dürrenberger als einen, der hartnäckig mit grosser Überzeugung seine Ziele verfolgt. An der jetzigen Performance „Die Weber“ hat er ein Jahr lang gearbeitet, komponiert, arrangiert, geübt, geübt und wieder geübt, mit Klavier, Akkordeon, Schlagwerk und vielen andern Klangeffekten. Erstaunlich ist, dass der Vollblutmusiker nichts in eine Partitur niederschreibt, sondern das Eingeübte auswendig während zweier Stunden immer wieder originalgetreu und synchron zum filmischen Geschehen aufführt. Wahrlich eine sehr beachtliche Leistung! Erfolg ist für den wachen und sensiblen Künstler nicht nur ein gut besetzter, kassenfüllender Kinosaal und Applaus, sondern vor allem auch, dass die Leute, die mit sehr unterschiedlichen Grundstimmungen herkommen, nach der Vorstellung berührt und irgendwie verändert nach Hause gehen, weil etwas mit ihnen  passiert ist.          (Mehr Infos: www.tralalaproductions.ch)    SR News 4/2014