Dankbar für so unendlich Vieles

 

Esther Baumann-Moser flog zusammen mit anderen Maîtres de Cabine – alles Funktionäre mit Kaderverträgen – oft zweimal wöchentlich nach Teheran. Das war einzigartig und auch sehr schön. 

 

Ihr Thurgauer Dialekt verrät auch heute noch ihre Herkunft, denn Esther ist in Kreuzlingen aufgewachsen. Sie erinnert sich gerne an die gute Zeit in Familie, Schule und KV. Ihr Ziel war schon früh, Airhostess zu werden, obwohl ihr Vater sie lieber als Lehrerin gesehen hätte. Nach Sprachaufenthalten kam sie 1968 zur Swissair. Ausgerechnet auf der Fahrt nach Kloten hatte sie eine Reifenpanne und kam dadurch zu spät zur Airhostessen-Aufnahmeprüfung, sie wurde trotzdem akzeptiert. Es war der genau richtige Beruf für die unternehmungslustige, kontaktfreudige, manchmal auch etwas zackige junge Frau, eine grossartige Lebensschule! Sie genoss die goldene Swissair-Zeit in der Fliegerei sehr. Die Arbeit an Bord war meist recht anstrengend, doch es gab einen enormen Reichtum an einmaligen Erlebnissen. Dramatisch war zum Beispiel ein Notfall, als die DC-10 beim Start in Dakar wegen geplatzten Reifen wieder zurückkehren und die Besatzung eine «prepared emergency landing» durchführen musste. Alles lief dann doch glimpflich ab, doch den Stress, die Spannung und auch die Ungewissheit während dieser Notlandung vergisst sie wohl nie.

Spezielle Teheran-Operation

 

Esther Moser flog als junge Airhostess während der Shah-Zeit hin und wieder nach Teheran. Es waren sehr lange Flüge mit drei Zwischenlandungen, doch der Zwei-Nächte-Aufenthalt erlaubte erlebnisreiche Ausflüge in die nahen Berge oder in den Bazar, unverschleiert, in westlicher, modischer Kleidung. Einmal reiste sie in ihren Ferien sogar allein nach Isfahan, um dort die Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. 

Nach der Revolution von 1979, als Ajatollah Chomeini den Shah von Persien vertrieb, herrschten chaotische Bedingungen im Land und am Teheraner Flughafen. Flughilfen standen keine mehr zur Verfügung, Teheran konnte nur noch im Sichtflug und nur bei gutem Wetter angeflogen werden. Der damalige Station Manager Werner Krummenacher und die Piloten mussten Unmögliches möglich machen. Übernachtungen gab es keine, die Operation wurde als Turn around durchgeführt. Die Hauptakteure von damals treffen sich zum Teil noch heute und haben immer viel zu erzählen.

Anfangs der 90ger Jahren war Esther Pfister-Moser verheiratet und arbeitete vorwiegend als Personalchefin, hatte aber noch ein Teilpensum im Flugdienst als Maître de Cabine. Weil KAPERS einer Übernachtung in Teheran nicht zustimmte und ein Hin- und Rückflug wegen der Duty time nicht möglich war, flog sie mit anderen Funktionären 1992-93 oft zwei Mal wöchentlich nach Teheran. Speziell war, dass fast alle Cabin Crew Members Maîtres de Cabine waren. Alle kannten sich seit langem, waren hochmotiviert und gaben auf diesen Flügen ihr Bestes, die Zusammenarbeit machte ihnen sichtlich Spass. Die Passagiere profitierten davon, es gab nur Komplimente. Für die kurze Übernachtung im Hotel mussten die Frauen sich abschminken, durften auch keinen farbigen Nagellack sehen lassen, mussten Kopf und Stirne mit einem Chador bedecken und einen langen Mantel tragen. Diese gemeinsamen Flüge schweissten die Kaderkolleginnen und Kollegen richtig zusammen, fast besser als in irgendeinem Seminar.

 

Nicht nur Schönes

 

Dass Esthers erste Ehe in Brüche ging und zu einer Scheidung führte, war für sie persönlich sehr belastend, eine Neuorientierung war angesagt. – Nach dem schrecklichen SR111-Absturz bei Halifax hatte sie als Personalchefin die Angehörigen der Cabin Crew-Opfer zu betreuen, was zu intensiven, sehr berührenden Kontakten führte. – Mit dem Grounding und dem Konkurs der Swissair war dann das Mass der Tragödien erreicht. Im Personaldienst hatte sie mehr als 3000 Zeugnisse zu unterschreiben und war dann noch bis im Sommer 2002 beim Liquidationsverwalter Wüthrich unter Vertrag und mit «Aufräumarbeiten» beschäftigt. Es war ihre persönliche Trauerarbeit und ein Abschied.

Nach dem Regen, die Sonne

 

Zur Swiss wollte sie nicht, fand aber auf dem Arbeitsmarkt eine Stelle bei der Edelweiss Air (damals im Kuoni-Konzern) als Leiterin Personaldienst und war auch Mitglied der Geschäftsleitung. Es waren sehr gute, herausfordernde und abwechslungsreiche sieben Jahre dort. Mit 63 Jahren ging sie in Pension.

Sie lernte den Intensivmediziner P.C. Baumann kennen und lieben, was zu ihrer zweiten Heirat führte. Das Paar hat viele gemeinsame Interessen. Beide sind sehr an Musik interessiert: sie nimmt seit 14 Jahren Querflötenstunden, ist in einem Ensemble engagiert, und er spielt gekonnt Gitarre. Sie sind beide zudem sportlich in vielen Disziplinen unterwegs, reisen gerne und geniessen ihren Zweitsitz im Engadin. Esther Baumann-Moser war noch in der Schulpflege und singt seit 20 Jahren im Frauenchor Winkel. Als Ortsvertreterin engagiert sie sich zurzeit in zwei Dörfern für die Musikschule Zürcher Unterland.

«Ich bin äusserst zufrieden und dankbar für alles», sagt die Unermüdliche am Schluss des Interviews, «für die gute Gesundheit, für das erfüllte Leben privat und im Beruf und auch, dass ich mit meinem Mann hier in der friedlichen Schweiz leben und die Pensionierung geniessen darf».

 

2023