Eine Frau als Chef, geht das?

 

Welch eine Sensation in ihrem Dorf Steinen bei Schwyz, als Pia Felchlin 1965 Swissair Airhostess wurde! Es war der Anfang einer faszinierenden Frauenkarriere in Zeiten grosser Veränderungen.

 

 

Ihre Gewandtheit im Umgang mit Menschen, die Sprachkenntnisse, ihre spontane, offene und selbstbewusste Art, entsprach ideal dem Anforderungsprofil einer Airhostess. Pia Felchlin erlebte die goldene Swissair-Zeit und erzählt noch heute gerne von legendären Eröffnungsflügen zu neuen Destinationen mit Bundesräten und andern Honoratioren oder von Flügen mit Papst, Kardinälen und Schweizergardisten an Bord. Auch vom Stress, als es galt, die Kabine für eine Notlandung in Rio vorzubereiten. – Eine interessante Erfahrung konnte sie bei einem Austauschprogramm mit PIA, der Pakistani International Airlines, machen – ihr Name Pia passte natürlich perfekt dafür. Auf den gemeinsamen Flügen staunte sie nicht schlecht, dass an Bord die pakistanischen Kabinenchefs meist Frauen waren. Etwas, was es damals in der Swissair so nicht gab.

 

 

Immer wieder betrieb Swissair mit ihren hübschen, charmanten Airhostessen Werbung, und die fliegenden Fräuleins wurden auch in Illustrierten gerne abgebildet und hochstilisiert. Sie genossen in der Schweiz ein enorm hohes Image, waren aber bis in die 70er Jahren gegenüber den Stewards in sehr vielen Belangen schlechter gestellt. Das weibliche Kabinenpersonal war damals nur auf Zeit, bis zum 36. Altersjahr angestellt, durfte nicht verheiratet sein, hatte weniger Lohn, keine Pensionskasse und war an Bord immer den Stewards unterstellt.  

Eine neue Zeit bricht an

 

Die Reorganisation mit dem Zusammenschluss des Airhostessen- und Stewards-Korps unter gemeinsamer Führung von Bernhard Oettli und Sylvia Schätzle war der Start für eine Entwicklung in Richtung Gleichstellung von Mann und Frau. In hartem Ringen zwischen Personaldienst, Linie und der Personalvereinigung KAPERS konnten nach und nach die vielen Ungerechtigkeiten eliminiert werden und brachten schlussendlich gleiche Karriere, gleichen Lohn und identische Aufstiegsmöglichkeiten.

 

Die junge Frau vom Lande machte bei der Swissar Karriere, brachte es von der einfachen Airhostess zur Gruppen- und dann zur Sektorchefin. So war sie verantwortlich für die Führung von etwa 200 weiblichen und männlichen Flight Attendants. Nur der Weg zur Maître de Cabine dauerte etwas länger. In dieser Zeit brauchte es Frauen wie Pia Felchlin, die sich zutrauten auf bisher ungewohnten Gebieten sich durchzusetzen und mit ihrer Leistung zu überzeugen. «Jetzt müssen wir Frauen beweisen, dass auch wir das können», war ihre Devise. Als sie endlich ihren ersten Flug als Maître de Cabine machte, meinte ein Passagier zu ihr: «Endlich ist bei der Swissair nun auch eine Frau Kabinenchefin und erst noch eine mit so viel Charme!» Diese Funktion auf Grossraum-Flugzeugen begeisterte sie sehr, sie konnte es gut mit Passagieren und Besatzungen. Als sie einmal aus dem Cockpit eine grotesk-abwertende Bemerkung über Frauen als Kabinenchefinnen hörte, liess sie sich davon nicht entmutigen.

 

Herausforderungen

 

Nie wird Pia Felchlin die Tage in Athen vergessen, als sie nach dem verheerenden Unfall einer Swissair DC-8 die unter Schock stehenden Besatzungsmitglieder betreuen musste. Genau so anspruchsvoll und berührend war für sie auch die Zeit der Flugzeugentführung nach Zarqa, wo sie jeden Tag mit den Crew-Angehörigen telefonierte.

 

Als später alle Japanese F/As ihrem Sektor zugeteilt wurden, musste «Pia San» sich an die sehr unterschiedliche Mentalität zuerst gewöhnen. Sie war in Tokyo auch bei der Auswahl der Bewerberinnen dabei. Es war für sie nicht immer einfach zu erraten, was die jungen Frauen wirklich dachten. Alle brachten ihr viel Respekt und Ehrerbietung entgegen, blickten ihr aber kaum offen und direkt in die Augen.

 

Dankbarkeit und Zuversicht

 

 

Pia Felchlin ist unendlich dankbar, dass sie bis zu ihrer Pensionierung das Privileg hatte, eine Arbeit ausüben zu können, in der sie ihre Persönlichkeit entfalten, vollen Einsatz leisten und Anerkennung finden konnte. Sie wurde noch vor dem Grounding pensioniert, ist auch heute immer noch sehr unternehmungslustig, bereist weiterhin gerne die Welt und lebt mit ihrem Lebenspartner abwechselnd mal in Kenia, in Thailand und in Wangen ZH. Doch in diesem Jahr ist alles etwas anders. In Gedanken ist sie oft bei den Fliegenden und fühlt mit, mit welchen Unsicherheiten diese während der Corona-Zeit zu kämpfen haben. Sie ist aber überzeugt, dass ihr Lebensmotto auch hier gilt:  «Positiv nach vorne schauen und optimistisch bleiben!»

 

SR News 2021-1